Nach Wasser ist Sand der meistgenutzte Rohstoff weltweit. Sand ist einer der kostbarsten Rohstoffe der Erde. Sand war immer etwas, das im Überfluss vorhanden zu sein schien. Als vor 2250 Jahren der griechische Mathematiker Archimedes darüber nachdachte, ob es möglich sei, die Summe aller existierenden Sandkörner zu bestimmen, entwickelte er als Erster ein Exponential-Rechensystem für das unvorstellbar Viele. Mit dem Sand kamen die großen Zahlen in die Welt.

7.500.000.000.000.000.000. 7,5 Trillionen. Dieses Ergebnis errechneten Forscher der Universität Hawaii, als sie sich fragten, wie viele Sandkörner allein an allen Stränden der Erde liegen. Geologen schätzen, dass in jeder Sekunde auf der Welt eine Milliarde Sandkörner entstehen. Es ist eine Art ewiges Sprudeln: Steine, Felsen, ganze Gebirgsmassive zerbröseln im Lauf von Jahrtausenden. Wind und Regen, Hitze und Kälte nagen so lange an ihnen, bis sich einzelne Sandkörner herauslösen. Seit jeher spülte das Meer die Sandkörner von den Stränden fort, aber immer trugen Bäche und Flüsse neuen Sand heran. Bis jetzt. Etwas muss passiert sein im endlosen Wirken der Natur. Etwas ist aus dem Gleichgewicht geraten. Wie ist es möglich, dass an so vielen Stränden plötzlich der Sand knapp wird?

Zur Sandgewinnung werden riesige Schwimmbagger eingesetzt, die Tonne um Tonne vom Meeresgrund, aber auch aus Seen oder Flüssen, abtragen. Die Folgen für die empfindlichen Ökosysteme sind oft verheerend. Flussbetten sinken ab, Küsten erodieren, die Fauna in den Ozeanen wird zerstört, ganze Inseln verschwinden. Schutzmechanismen, die eigentlich Stürme und Tsunamis abhalten, werden außer Kraft gesetzt. Der Sand wird knapp und die Knappheit macht ihn kostbar. Auf einmal ist Sand etwas, womit sich ein Vermögen verdienen lässt. Denn Sand ist nicht nur das Material, aus dem der Strand besteht, er ist auch der Rohstoff für die Bürotürme, Mietshäuser, Autobahnbrücken und Flughäfen weltweit. Es ist der Sand, der die Megastädte der Welt wuchern lässt. Sand ist heutzutage auch Bestandteil zahlreicher Alltagsprodukte, häufiger noch als Erdöl. Wir finden Sand z.B. in Kosmetika, Putzmitteln, aber auch in elektronischen Produkten wie Computern, Handys und Kreditkarten.

Der größte Sandbedarf entsteht jedoch durch den weltweiten Bauboom aufgrund des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung in den Schwellenländern. Stahlbeton besteht zu einem Drittel aus Zement und zu zwei Dritteln aus Sand.

Angesichts dieses Bedarfs wurde Sand in den letzten Jahren zu einer Ressource von entscheidender Bedeutung. Wüstensand ist „man mag es kaum glauben“ nicht zur Betonverarbeitung geeignet. Wüstensand ist vom Wind so rund geschliffen, dass ihn kein Zement der Welt zusammenhält. Deshalb nutzt den Scheichs auch aller Sand der umliegenden Wüste nichts, wenn sie in Dubai und Abu Dhabi ihre ehrgeizigen Megaprojekte in Auftrag geben. Für den Burj Khalifa etwa mussten riesige Mengen des Rohstoffs aus dem weit entfernten Australien importiert werden. Baukonzerne haben lange Sand aus Flussbetten oder Kiesgruben abgebaut. Doch dieser Vorrat geht langsam zur Neige und so hat die Bauwirtschaft den Meeresboden ins Visier genommen. Sand ist unser Öl, sagen die Spanier, wo vier Fünftel aller Touristen wegen der Strände ins Land kommen. Ökonomen haben für Blanes (ein Nachbarort von Lloret de Mar-Provinz Girona)  berechnet, dass jeder Quadratmeter Strand dort durch den Tourismus 1.381 Euro im Jahr einbringt. Wenn man diese Summe für alle Strände in Spanien hochrechnet, kommt ein ganz schönes Sümmchen zusammen, Strand weg, Urlauber weg, Einnahmequelle weg, darüber sollten die entsprechenden Quellen einmal nachdenken! Die Strände der Kanarischen Inseln etwa überleben heutzutage nur durch Sandimporte aus anderen Ländern.

Weltweit schwinden die Vorkommen, etwa in den boomenden Schwellenländern Asiens. „Sand und Kies sind die am meisten abgebauten Ressourcen der Welt“. Der bei weitem größte Exporteur der Ressource ist Statistiken zufolge die USA, der größte Importeur das für seine glitzernden Shopping Malls und Megabauten berühmte Singapur. Auf der Liste der Einfuhrländer belegt Deutschland immerhin den achten Rang. Viele Länder, vor allem in Südostasien, haben den Export von Sand verboten. Jedoch wird weiter mit dem Rohstoff gehandelt; nur eben illegal. Die so genannte „Sand-Mafia“ operiert besonders erfolgreich in Indien. Sie gilt dort als eine der gewalttätigsten und undurchdringlichsten Gruppen des organisierten Verbrechens. Expertenteams arbeiten derzeit an der Entwicklung von Alternativen. Eine Alternative kommt aus Gehlberg bei Thüringen von der Firma „PolyCare“  die den Wüstensand verbauen kann. Polycare hat nach jahrelanger Entwicklungsarbeit einen Weg gefunden, der dem Irrsinn ein Ende bereiten könnte: Statt mit Zement werden die Sandkörnchen mit Polyesterharz gebunden. Das Resultat nennt man Polymerbeton. Polymerbeton wird zwar längst verbaut, etwa in Maschinenfundamenten oder Abwassersystemen, doch bislang kam niemand auf die Idee, ihn in Steinform zu gießen und für Häuser zu verwenden. „Die Bauindustrie ist äußerst konservativ und für neue Ansätze nur schwer zu gewinnen» sagt der Unternehmer Gerhard Dust von „PolyCare“.

Hoffen wir, dass sich das bald ändert und wir weiterhin unsere Strände genießen können.